Vordergründig neidet man anderen das höhere Gehalt, das exklusivere Auto, die größere Wohnung. In Wahrheit sind es innere Werte, die persönlich unzufrieden machen. Neider gehen davon aus, dass Leute mit anderen Jobs, schickeren Autos und größeren Wohnungen auch zufriedener leben müssten als man selbst. Doch wenn jemand täglich 14 Stunden im Büro arbeitet, um Karriere zu machen, haben Freunde und Familie häufig das Nachsehen. Und wer ein hohes Darlehen aufnimmt, um sich einen repräsentativen Wohnsitz leisten zu können, muss seinen Konsum an anderer Stelle einschränken. Diese negativen Konsequenzen blenden Neider aus. Sie nehmen im materiellen Besitz des anderen nur wahr, was sie selbst entbehren.
Wer ist neid-gefährdet? Neid kann die Folge falscher Erziehung sein. Eltern, die ein Geschwisterteil dem anderen dauernd vorziehen, stiften Ungerechtigkeit. Wird ein Kind über Jahre hinweg benachteiligt, kann es dies unter Umständen als persönlichen Makel verinnerlichen. Ein solchermaßen behandeltes Kind kultiviert das Gefühl, ungenügend und weniger wert zu sein als andere. Als Erwachsenem wird es diesem Kind an der Fähigkeit mangeln, Ungerechtigkeit auch gelassen hinzunehmen, also nicht aus der Haut zu fahren oder sich persönlich verletzt zu fühlen, wenn einem ein anderer Autofahrer die Parklücke wegschnappt. Es liegt auf der Hand, dass frühkindlich benachteiligte Menschen ihr Leben lang für Neidgefühle empfänglich sind. Im schlimmsten Fall sorgt das unterentwickelte Selbstbewussstein für Ohnmachtsgefühle, Depression und Angst - was das Drogen-Risiko schürt und die Anfälligkeit für psychosomatische Krankheiten.
Gibt es "ideale" Neid-Persönlichkeiten?
Der Psychologe Rolf Haubl, Autor einer Studie über Neid, glaubt nicht an einen "typischen" Neider: "Wenn jemand im Laufe seines Lebens eine gewisse Neidbreitschaft entwickelt, dann sehe ich darin das Ergebnis von Erfahrungen, die dieser Mensch gemacht hat. Aus meiner analytischen Arbeit weiß ich, dass neidbereite Menschen oftmals Menschen sind, die ein 'falsches Selbst' entwickelt haben. Sie sind in Situationen groß geworden, in denen sie Leistungsansprüche von außen übernommen haben, ohne Gelegenheit bekommen zu haben, herauszufinden, was ihnen wirklich Spaß macht und welche Neigungen sie haben. Diese Menschen erleben: Nur wenn ich den Ansprüchen der anderen perfekt genüge, dann werde ich von ihnen anerkannt. Solche Leute verleugnen permanent ihr eigenes Selbst und rennen hinter Anerkennungsbedingungen her. Wer so eine Lebensgeschichte hat, der hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, eine große Neidbereitschaft zu entwickeln." (zit. nach "Psychologie heute", Mai 2002)
Quelle: Geo.de